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Leseprobe Kopsalat

Kopfsalat: Eine einfühlsame und tiefgründige Erzählung über Lena, eine Frau, die sich im Chaos des Lebens wiederfindet und sich mit einem alten Notizbuch auf eine transformative Reise begibt, um Klarheit, Gelassenheit und Selbstverwirklichung zu finden.

 

Inmitten von Überforderung, beruflichem Stress und familiären Verpflichtungen begibt sich die Hauptfigur auf einen Weg der Selbstreflexion und Achtsamkeit, um ihren "Kopfsalat" zu ordnen und eine Balance zwischen Verantwortung und Leichtigkeit zu entdecken.

Kapitel 1: Vergessene Worte

Lena riss die Augen auf, als der Wecker zum dritten Mal klingelte. Der Raum war noch im Halbdunkel, und die ersten Sonnenstrahlen, die zaghaft durchs Fenster brachen, schienen fast wie ein ferner Traum. Ihr Kopf war leer, doch ihr Herz schien zu rennen. Es war nicht nur der Stress des Morgens – es war diese leise Frage, die sich immer wieder durch ihren Geist schlich: «Warum fühlt sich das Leben an wie eine Endlosschleife?». Der Geruch von kaltem Kaffee, Überbleibsel vom letzten hektischen Abend, mischte sich mit der kühlen Morgenluft.

«Mist», murmelte sie, als sie die Zeit auf dem Handy sah. Die Kinder! Ihr Herz zog sich zusammen. Wenn sie sich jetzt nicht endlich bewegte, würde der ganze Morgen wie immer im Chaos enden. Mit einem Ruck sprang sie aus dem Bett, griff nach ihrer Brille und stolperte auf halbem Weg in den Flur, die Füße nackt auf dem kalten Boden. Die Wärme des Bettes schien schon unerreichbar.

«Mama, mein Pausenbrot ist alle!», rief Paul aus dem Kinderzimmer.

Lena seufzte tief und öffnete die Badezimmertür. Der Kaffeekocher summte beruhigend, während sie sich hastig frisch machte. Die Welt drehte sich im gleichen, eintönigen Rhythmus wie immer. Der Alltag, der sie in eine nie endende Schleife zog, und sie hatte nicht einmal das Gefühl, ihn zu hinterfragen. Sie nahm es einfach hin.

«Schau in den Kühlschrank, da müsste noch was sein», rief sie Paul, während sie sich mit einem Handtuch abtrocknete.

«Aber da ist nur noch so ein altes Brot...»

«Das ist dein Pausenbrot! Hol dir den Frischkäse und mach es wenigstens ein bisschen besser.» Lena versuchte, sich nicht von ihrer aufkommenden Ungeduld überwältigen zu lassen. Ihre Finger verbanden die Haare zu einem schnellen Knoten, als sie nach ihrer Tasche griff. Der Blick auf das Chaos im Flur – die Socken, die Emma irgendwo verloren hatte, das halbe Müsli, das Paul noch in der Hand hielt, ließ ihr den Magen verkrampfen. «Mama, ich hab’ meine Socken nicht gefunden!»

«Schau doch einfach!» Es war wie immer. Die Hektik, die Fragen, die keine Antworten brauchten, die ständigen Aufforderungen. Sie half Emma beim Zubinden der Jacke, schickte Paul zur Tür und irgendwie schafften sie es wieder, in den Wagen zu steigen. Doch innerlich fragte sich Lena, wie lange sie diesen Kreislauf noch weiterdrehen konnte.

 

Die Fahrt zur Schule war wie ein schwummeriger, endloser Tunnel. Der Blick in den Rückspiegel zeigte neben sich jagenden Frontlichtern die Abwesenheit von Zeit. Der morgendliche Sturm der Kinder, ihre Gesichter ein Bild aus Müdigkeit und Eile. «Mach dir keinen Kopf», dachte sie, während sie sich versuchte zu beruhigen. «Alles wird gut, du machst das schon.» Doch eine leise Stimme in ihrem Inneren flüsterte: «Ist das alles?»

 

Nachdem sie die Kinder zur Schule gebracht hatte, fuhr Lena zum Park-and-Ride. Wie immer dauerte es eine halbe Ewigkeit, einen Parkplatz zu finden. Doch als sie dann zum Bahnsteig lief und den Zug doch noch einfing, spürte sie plötzlich die Leere, die sie schon lange begleitete. Der Moment der Stille, als der Zug sich in Bewegung setzte, ließ den Lärm der Stadt verblassen. Sie starrte aus dem Fenster auf die graue Stadt, die Straßen, die Gebäude und die Pendler, die sich wie Schattengestalten durch die Morgenspitze bewegten.

Sie sah ihr eigenes Spiegelbild im Zugfenster, ein flimmerndes Bild aus zerzausten Haaren und müden Augen. Ein flaues Gefühl kroch in ihren Magen, dieser unterschwellige Druck, der sie nicht losließ. Ein Gedanke, der sie seit Tagen quälte: «Ist das alles? Gibt es da nicht mehr?»

Ein Bild einer jungen Frau mit einem Notizbuch, die sie flüchtig am Bahnsteig wahrnahm, schlich sich in ihre Gedanken. «Früher hatte ich auch so ein Notizbuch», dachte sie. «Wo ist es bloß hin?» Der Gedanke verwischte wie ein unklarer Traum, und der Zug fuhr weiter. Doch die Frage blieb, tief und unerbittlich.

 

Im Büro angekommen, stürzte sie sich sofort in die Arbeit. Ihr Schreibtisch war ein einziger Berg von Papieren, der Drucker kämpfte wie immer gegen die Tintenpatrone und der Kaffee schmeckte, als wäre er in den letzten Stunden vergessen worden. Doch während sie die neuesten Lokalnachrichten verfasste spürte sie, wie der Tag sie langsam zermürbte. Der Redaktionsleiter verlangte ständige Updates, eine Kollegin reichte Kuchen herum – niemand mochte die Tradition, aber alle machten mit. Lena griff in die Tüte, aß ein Stück, das sie kaum schmeckte, und stürzte sich wieder in ihre Arbeit. Aber immer wieder schlichen sich die gleichen Bilder in ihren Kopf. «Was ist der Sinn von all dem?» Die Worte auf dem Bildschirm verschwammen, und sie fühlte sich wie eine Schauspielerin, die nicht wusste, welche Rolle sie eigentlich spielte. Eine Schauspielrolle im eigenen Leben!

Der Nachmittag zog sich, der Tag hatte keinen klaren Beginn und kein Ende. Als sie den letzten Artikel abschickte, war es bereits spät. Auf dem Heimweg fühlte sich alles wie ein leiser Nebel an. Die Straßenlampen warfen flimmernde Schatten, der Wind trieb die Blätter vor sich her. Sie starrte auf ihre Tasche, die überladen war mit Papieren und einer Kaffeetasse. Der Gedanke, einfach den Kopf in den Nacken zu legen, um sich zu entspannen, schlich sich durch ihren Kopf. Doch die Leere blieb.

«Ich brauche mehr als das», flüsterte sie, fast ohne es zu merken. «Ich will etwas finden, das mich erfüllt.» Die Stille, die sie umgab, war erdrückend. Sie schloss die Augen und versuchte sich vorzustellen, wie es wäre, einfach für einen Moment alles hinter sich zu lassen. Doch der Gedanke verflog, als sie an die Kinder dachte, die sie brauchten.

 

Zu Hause angekommen, war der gewohnte Trott nicht weit. Die Kinder wollten etwas essen, die Wäsche lag auf dem Sofa, die Spülmaschine musste noch ausgeräumt werden. Aber in diesem Moment drängte sich die Frage wieder auf: «Warum fühlte sie sich so leer, obwohl sie alles hatte?»

 

Lena spürte die Müdigkeit in jeder Faser ihres Körpers, doch als sie ins Kinderzimmer trat, wich die Erschöpfung einem Gefühl tiefer Ruhe. Es war das abendliche Ritual, das sie mit ihren Kindern teilte, das einzige Konstante in einem sonst so hektischen Tag. Paul lag bereits im Bett, seine kleinen Hände umklammerten fest das Lieblingsstofftier, während Emma noch versuchte, die Decke ordentlich über sich zu ziehen.

Lena setzte sich ans Bett und strich Emma sanft eine Haarsträhne aus dem Gesicht. «Und? Wovon wirst du heute träumen?», fragte sie lächelnd, während Emmas Augen langsam zufielen. «Mama, von einem riesigen Apfelbaum, der bis in den Himmel reicht», murmelte Emma schläfrig. Paul, der immer noch wach war, schob sich näher an seine Mutter und legte den Kopf auf ihren Schoß.

In diesem Moment fühlte Lena eine Welle der Geborgenheit. Es war, als würde die ganze Welt für einen kurzen Augenblick stillstehen. Die Sorgen des Alltags verblassten, und alles, was zählte, war der warme Atem ihrer Kinder, der gleichmäßige Rhythmus ihres Atems. Hier, im Halbdunkel des Zimmers, erfüllt vom leisen Flüstern der Nacht und dem Duft der frischen Bettwäsche, fühlte sie das Glück, das sie den ganzen Tag über suchte. «Ich habe dich lieb, Mama», flüsterte Paul noch, bevor seine Augen sich schlossen. Lena drückte ihm einen Kuss auf die Stirn und legte vorsichtig die Decke über ihn. Es war dieser Moment, in dem sie vollkommen sie selbst sein konnte. Ohne Fragen, ohne Zweifel. Nur die bedingungslose Liebe, die sie mit ihren Kindern verband. Als sie sich aufrichtete und die Tür leise hinter sich zuzog, blieb ein kleines, glückliches Lächeln auf ihren Lippen zurück.

Die Kinder waren schließlich im Bett, und Lena ließ sich auf die Couch sinken. Der Raum war still, bis auf das leise Rauschen der Heizung und das Klicken der Fernbedienung. Sie fühlte sich, als hätte sie etwas von sich selbst verloren. Etwas, das früher einmal da war, aber das sich mehr und mehr in Luft auflöste.

«Gibt es da mehr?», fragte sie sich leise, während sie zum Fenster ging und in die Dunkelheit starrte. Die Lichter der Stadt flimmerten in der Ferne. Ein Moment der Sehnsucht ergriff sie, als könnte sie in eine andere Welt blicken – eine, in der sie einfach nur sie selbst sein konnte. 

Ein Moment, in dem sie nicht mehr spielte, sondern einfach nur war. Ein Ort, an dem sie etwas finden würde. Etwas, das sie wieder erwecken konnte.

 

Am nächsten Morgen klingelte der Wecker erneut, und Lena öffnete die Augen schwerfällig. Der Raum lag im Halbdunkel, die ersten Anzeichen des neuen Tages schienen sich noch nicht durch die Dunkelheit zu kämpfen. Sie fühlte die Müdigkeit des vorherigen Tages, die sich wie eine unsichtbare Last auf ihre Schultern legte. Der morgendliche Trott begann: Kinder wecken, Frühstück machen, die üblichen Streitereien um vergessene Hausaufgaben und verschwundene Sportsachen.

Nachdem sie die beiden abgesetzt hatte, parkte Lena wie gewohnt beim Park-and-Ride. Der Bahnsteig war voller Pendler, die in ihre Telefone starrten oder gedankenverloren den Boden anblickten. Doch diesmal erblickte Lena sie wieder – die Frau mit dem Notizbuch. Sie stand abseits der Menge, ihr Kopf war leicht gesenkt, während sie konzentriert etwas aufschrieb. Ein kleiner Moment der Stille schien die beiden zu verbinden, als Lenas Blick auf ihr Notizbuch fiel.

«Früher hatte ich auch so ein Notizbuch», dachte Lena sehnsüchtig. «Vielleicht irgendwo im Büro oder in einer alten Schublade zu Hause.» Es war, als hätte dieser flüchtige Anblick eine verborgene Tür in ihrem Gedächtnis geöffnet. Ein Hauch von Nostalgie, der sie durchzog, als wäre es der Verlust von etwas Wichtigem – einem Teil von ihr, der schon lange vergessen schien.

Der Zug fuhr ein, und Lena stieg ein, fand einen Platz am Fenster und lehnte sich zurück. Die Fahrt verlief wie immer in der morgendlichen Eintönigkeit – bis plötzlich das Licht im Zug flackerte. Für einen Sekundenbruchteil schien es, als würde alles stillstehen. Ein scharfes Aufblitzen, ein kurzes, elektrisches Knistern, und der ganze Zug wurde in ein seltsames, blendendes Licht getaucht. In diesem Moment schien die Zeit zu stehen. Lena sah sich selbst wie durch einen Spiegel: Die junge Frau, die früher geschrieben hatte, voller Träume und Ideen. Das Bild verblasste, doch die Sehnsucht blieb. Es war, als hätte das Licht eine Tür geöffnet, hinter der sie längst verschollen geglaubt war. Ein Moment der Offenbarung, der ihre Gedanken wie ein Blitz durchzuckte.

 

Es war keine klare Vorstellung, eher eine plötzliche Vision, die sie überflutete. Sie sah sich selbst, wie sie an einem Schreibtisch saß, das Licht einer alten Lampe auf ein offenes Buch fiel. Ihre Hände, die den Stift hielten, schrieben in einem flüssigen Strom aus Worten. Es war keine fremde Szene, sondern fühlte sich an wie eine längst vergessene Erinnerung – oder vielleicht eine Vision ihrer Zukunft. Die Seiten des Notizbuchs waren gefüllt mit Ideen, Gedanken und Geschichten. Die Worte sprangen ihr entgegen, als ob sie schon immer da gewesen wären, tief in ihr verborgen, nur darauf wartend, aufgeschrieben zu werden.

«Warum habe ich überhaupt aufgehört zu schreiben?», fragte sie sich, als sie das flackernde Licht im Zug bemerkte. Und in diesem Moment wurde ihr plötzlich klar, dass sie mehr wollte als nur das tägliche Überleben. Die Welt um sie herum schien für einen Augenblick zu verschwinden, als ob alles, was sie jemals gebraucht hatte, in diesem Notizbuch lag – ein Buch voller Antworten, das darauf wartete, geöffnet zu werden.

Als das Licht wieder stabil wurde, kehrte der Zug zur Normalität zurück. Pendler schauten auf, einige flüsterten, doch für Lena war der Moment wie eine Offenbarung gewesen. Ihr Herz raste, und sie spürte das Kribbeln in ihren Fingern, das Bedürfnis, sofort einen Stift in die Hand zu nehmen. Es war, als hätte sie einen Teil von sich wiederentdeckt, der längst begraben gewesen war. Eine Flamme, die plötzlich aufflackerte und sie mit einer Welle von Aufregung und Drang ergriff.

«Ich muss mein altes Notizbuch finden», flüsterte sie leise zu sich selbst. Es war mehr als nur eine vage Idee – es war ein Drang, eine plötzliche Klarheit inmitten des monotonen Nebels ihres Alltags. In ihrem Inneren war etwas aufgebrochen, ein kleiner Funke, der sich in eine Flamme verwandelte.

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